Figur und Raum im Dialog
Oktober 2017
„Da haben Sie etwas Ewiges geschaffen.“ Einige Tage nach der 7. Künstlermesse des Landesverbandes Bildender Künstler und Künstlerinnen in Stuttgart fand ich diesen Kommentar in meiner Mailbox. Der Messebesucher bezog sich auf meine neue Arbeit „Mach eine Reise aus Dir heraus und in Dich hinein“ und schrieb weiter: „Ich glaube, dass Sie da etwas ganz, ganz Wichtiges für sich entdeckt und für uns erschlossen haben, etwas, was viel, viel mehr ist, als gängige Motive leisten können.“

“Mach’ eine Reise aus dir heraus und in dich hinein”, Stahl, Stahldraht, lackiert, 100 X 100 X 100cm, 2016
Die Arbeit zeigt eine menschliche Figur, wie sie immer wieder im Zentrum meines Schaffens stehen. Lichtdurchflutet, energievoll, in Bewegung. Über eine längere Zeit hatte ich die Gestalten in sphärische Formen gehüllt, um gleichzeitig Lebendigkeit, Beweglichkeit und Vergänglichkeit auszudrücken. Während meiner Zeit in Indien Anfang des Jahres (mehr dazu in meinem Blogbeitrag) habe ich erstmals mit einem Kubus einen Raum um die Gestalt im Zentrum geschaffen, der mit seinen geraden Linien und der symmetrischen Struktur eher an die Formenwelt von Kristallen erinnert. Die Beziehung zwischen Figur und Raum rückt damit ins Blickfeld.
„Die Botschaft, dass wir Menschen eingebettet sind, und dass der Kosmos wirklich ein cosmos ist – das ist es, was ich in Ihren Skulpturen spüre“, lese ich weiter. „Und das berührt mich.“ Dieses Gefühl gipfelt in einer Resonanz, die den Betrachter nicht alleine lässt, sondern sein eigenes Eingebundensein zum Ausdruck bringt.
Solche Rückmeldungen von Menschen, die sich mit meinen Werken auseinandersetzen, sind für mich Impulse, selbst nochmals genauer hinzusehen und hinzuspüren. Sie lassen mich zurückblicken auf eine Entwicklung, die nicht geplant und dennoch rekonstruierbar ist.
Vor Jahren schon entdeckte ich entwickelte ich stählerne Rahmenkonstruktionen als einen transparenten Gegenpol zur menschlichen Gestalt. Ein zweidimesionales Viereck machte den Anfang, hier im „kosmogenen Fenster“ entstanden 2008.

“Cosmogenic”, Edelstahl, 133 X 150 X 65 cm, 2008
Der von mir gesetzte Kontext, in dem eine menschliche Gestalt erscheint, wird von den Betrachtern oft erst auf den zweiten Blick wahrgenommen. Doch ganz gleich, ob es sich um einen Holzsockel, eine Stahlplatte oder eine Stahlkonstruktion handelt, diese Konstruktionen prägen das Werk ebenso wie die vordergründige Gestalt, indem sich dieses davon abhebt und Position bezieht. Die Dynamik der Drahtgeflechte wird durch den ruhigen Gegenpol des künstlerisch gesetzten Umfelds gesteigert. Zunächst waren es Steine und Felsen, von denen die Figuren zum Sprung oder Flug abhoben. Später wurde die Beziehung enger: Stahlplatte stehen nicht nur wie eine Art Wand im Hintergrund, sondern sie sind gleichzeitig Hindernisse, die durchdrungen werden. Energievoll springt die Gestalt in einen neuen Raum, der sich vor ihr öffnet.

“Mesmerized”, Kupferdraht, lackiert, Stahl, 200 X 65 X 40 cm, 2016
Eine neue Funktion entwickeln die ruhigen dunklen Holzsäulen, die in ihrer reduzierten Form einer sich entwickelnden Figur als Basis dienen. Sie tragen eine Entwicklung mit und sind im Fortschritt der Veränderung Symbole der Ruhe und Beständigkeit.

“Aufbruch”, Kupferdraht, vernickelt, 150 x 30 x 160 cm, 2011
Mit dem Kubus tritt wieder ein ruhiges Element in den Dialog mit meinen Figuren – als
„Einfassung“ wie in dem vom den Messebesucher beschriebenen Werk oder als tragende Konstruktion wie in der Arbeit „Exploding into Being“. Wie eine naturwissenschaftliche Konstante, unbeweglich und gesetzt, hält er den Menschen im Wissen um seine Verstrickung, mitunter Zerrissenheit in einer hoch dynamischen Welt.
Auch in diesem Sinne ist der Mensch nicht alleine, nie völlig losgelassen und ungebunden. Doch die Formen der Verflechtung und unsere Wahrnehmung sind immer andere – und machen Entwicklung möglich.

Exploding into Being, Stahldraht, Kupferdraht, lackiert, 84 X 65 X 80 cm, 2017