Kunst ist Erfahren

April 2019

Eine meiner wichtigsten Inspirationsquellen für mein künstlerisches Schaffen sind innere Erfahrungswelten.

Die Reise begann vor vielen Jahren mit dem Studium der Psychologie und einem Vertiefungssemester zu „Psychology, Cosmology and Consciousness“ in San Francisco. 

Danach widmete ich mich der „Feldforschung“: Die persönliche Erfahrung und das Erleben waren und sind für mich mir der unmittelbare Weg des Abenteuers der Selbst- und Weltentdeckung.

Sich zu erfahren ist ein ständiger Entwicklungsprozess

Seit vielen Jahren erforsche ich nun schon leidenschaftlich „psychonautisch“ andere Bewusstseinsräume.Diese Erfahrungen begleiten mein künstlerisches Schaffen und weben sich in meine Werke hinein. Anders ausgedrückt: Dieser ständige Entwicklungsprozess bietet den Hintergrund, vor dem sich meine Werke formen. Doch nur ein Bruchteil findet den Weg in die Materie, denn vieles bleibt im Mysterium und ist kaum zu vermitteln, geschweige denn darstellbar. 

“Einkehr”, Kupferdraht, lackiert, 2017

Das mag exotisch und ungewöhnlich klingen. Doch solche Erfahrungen – sei es durch Meditation, Träume oder Trance-Zustände – dienten in alten und früheren Kulturen als unabdingbare spirituelle Matrix, auf der sich das Leben abspielte. In unserer modernen Kultur ist hingegen das logische Denken sehr dominant, andere Erfahrungsbereiche sind eher randständig, eben nicht „normal“.

Innere Spannung transformiert sich in äußere Formen

Mein persönlicher Zugang zu dieser Welt geschah zunächst über die Faszination am menschlichen Körper. Ein frühes Medium war der Tanz, zunächst als Leistungssport und später der freie Ausdruckstanz. Gefühlszustände von innerer Spannung und Entladung ganz unmittelbar im Tanz zum Ausdruck zu bringen, war ein erster Anstoß, mich mit dem Thema „Verkörperung“ auseinanderzusetzen. Parallel dazu habe ich damit begonnen, meine Empfindungen in figürliche Plastiken mit einer bestimmten Körperhaltung zu übersetzen. Diese Form des Ausdrucks war ein faszinierender, mich stets über viele Stunden hinweg vereinnahmender Prozess. Der „Aufbruch“, ein vielgestaltiges Leitthema meiner Figuren, repräsentiert diese Suche, die Reise nach innen, über den Körper zur eigenen Seele und zu einem sich verdichtenden äußeren Ausdruck im kreativen Schaffen.

“No Where – Now Here” Kupferdraht, lackiert, 2017


Der Wunsch danach, Grenzen zu überschreiten, führte mich zu weiteren tiefgehend prägenden Erfahrungen. Ich war sehr interessiert daran, zumindest die Tür zum Unbewussten aufzustoßen und bestenfalls mystische Erfahrungen zu machen.

Dafür fand ich vielerlei Wege oder Vehikel. Ich erlernte das Holotrope Atmen, eine von Stanislav Grof entwickelte Technik, die in erweiterte Bewusstseinszustände hineinführt. Später machte ich bewusstseinserweiternde Erfahrungen in Ritualen anderer Kulturen. In mehreren Reisen nach Südamerika nahm ich an Zeremonien teil, etwa mit einem „Curandero“ der Ashaninka-Indianer aus dem peruanischen Regenwald.

Die Kunst eröffnet neue Erfahrungswelten

“Nowhere”, Stahldraht, Edelstahl, 2016

Aber egal welchen Weg ich wählte, die Erfahrungen waren sich ähnlich: Unter der Oberfläche der „Normalität“, der Sprache, Kultur und Denkmuster, kam ich in Kontakt mit einer Ebene, die die Grenzen des Persönlichen, der eigenen Identität, aufzubrechen vermag. Die Perspektive des Ego wurde zu einer künstlichen Verzerrung des eigentlichen Seins. Ein Freund aus San Francisco formulierte es einmal so: „Vielleicht sind wir gar nicht wir … “. Zumindest sind wir viel mehr, als das, was wir meinen zu sein.

Mit diesen „transpersonalen“ Erfahrungen verbinde ich ein hohes Potenzial an Transformationskraft und somit künstlerischer Lebendigkeit. In der Kunst können wir mit all unseren Sinnen eine Welt erfahren, die uns mit tiefem Wissen, Schönheit und der Lyrik ihrer Nonverbalität berührt, gefangen nimmt und entführt. Kunstschaffende wie Kunstbetrachter. Sich mit Kunst zu umgeben bedeutet, an erweiterten Erfahrungswelten teilzuhaben.